Norderney – Ein (K)Urlaub in Deutschland

Nun hat es uns also erwischt. Das, was wir 10 Jahre vermieden haben (Familienurlaub an der See), wurde uns quasi aufgezwungen. Wir wollen uns aber nicht beklagen und direkt am Anfang feststellen: Die Kinder-Reha in der Seeklinik Norderney ist weiterzuempfehlen und gibt kaum Anlass zur Kritik. Freundlichste Ärzte und Mitarbeiter, sehr gut organisiert und noch nicht einmal über das Essen kann man groß klagen. Wenn jetzt noch das Wlan besser gewesen wäre… Aber das ist dann wirklich das Haar in der Suppe. In dieser Hinsicht ist Norderney also eine Reise Wert.

Genau vier Wochen dauert so eine Kinder-Reha und so ziemlich in der Mitte durfte ich das naheliegende Gästehaus beziehen. Einfach ausgestattet, sauber und mit brettharten Matratzen ausgestattet, mein Domizil für die nächsten knapp zwei Wochen. Dafür mit hervorragenden Wlan, aber leider auch mit wesentlich mehr Rücken als zu Hause. 🙁

Mit viel Erinnerungen im Gepäck, schließlich hab ich hier im Kindesalter gemeinsam mit Muttern 2-3 mal jährlich Asthma und Pseudokrupp die Stirn geboten, war es also auch eine kleine Tour in die Vergangenheit. Man hatte schon so einiges vom Wandel gehört, sollte dies wirklich so sein und wenn ja, in welchem Ausmaß?

Schon bei der Ankunft per Fähre fällt auf, der spärliche Anleger mit Tickethäuschen wie vor dem alten Georg-Melches-Stadion ist einem Haus Schiffahrt gewichen. Feinste Beton/Holzarchitektur, auf den ersten Blick völlig überdimensioniert, nimmt einem in Empfang. Bei rund einer halben Millionen Touristen pro Jahr aber eventuell auch notwendig. Die Hin- und Rückfahrt kostet als Erwachsener 20€, ein Fahrrad noch einmal 11€ extra und das Auto -abhängig von der Länge- schlägt noch einmal mit 80-90€ zu Buche. Die Fahrkarte gilt auch gleichzeitig als Norderney Card. Hiermit werden an vielen Stellen die wirklich saftigen (Eintritts)-Preise ein wenig gemildert. Dafür zahlt man aber auch 3,70€ als Erwachsener pro Tag. Früher eine Kurtaxe, nach neuem Gesetz jetzt Gästebeitrag. Ohne Zahlung kommt man nicht mehr von der Insel runter, zumindest nicht mit dem Schiff. Rechnet man jetzt noch für eine einfache Unterkunft in den Ferien mal 100-150€/Nacht, dann kann man sich schnell zusammenrechnen was der Spaß hier als Familie kostet.

Schnell bekommt man den Eindruck, dass hier viel investiert wurde. Das ehrwürdige Kurhaus in dem ich Schach spielen gelernt habe nennt sich jetzt Conversationshaus, das Badehaus wurde zu einem Thalasso-Wellness-Tempel umgebaut. Die Milchbar an der Promenade, früher wirklich ausschließlich dem Milchreis und diverser Milchgetränke gewidmet ist jetzt der In-Treff zum Sonnenuntergang. Hipster Familien sitzen hier abends neben den Mittelreichen und nippen an ihrem Aperol Spritz. Gosch und diverse Nobel-Boutiquen runden das geforderte Angebot ab. Der gewünschte Wandel vom Rentner und Ballermanntourismus zum Lifestyle scheint also geglückt. Das ganze natürlich nicht auf Kosten der Insulaner. Wie schon auf Sylt wird Wohnraum auch hier langsam unbezahlbar. Engel und Völkers hat 25qm Apartments für 250.000€ im Angebot und die haben noch nicht einmal Meerblick. 800.000€ oder 1 Mio.€ sind hier schnell erreicht. Spricht man mit Insulanern so erfährt man, dass z.B. die Anzahl der Lehrlinge im Handwerk hier in den letzten 10 Jahren von 150 auf 10 zurückgegangen ist. Köche bekommen wohl kein Gehalt mehr, man spricht von Gage. Spannend zu sehen wo das hier enden wird. In Kürze soll das erste Fünf-Sterne Hotel eröffnen.

Lidl, Penny und Netto sei Dank bewegen sich zumindest die Lebensmittelpreis auf Festlandniveau. Vorbei die Zeiten der zwei Supermärkte und dem saftigen Inselzuschlag. Gastronomisch wird auch für jeden Geldbeutel was geboten. In dieser Hinsicht kann man hier zumindest einen “normalen” Urlaub verbringen.

Wer bis hierhin durchgehalten hat, der soll auch noch kurz erfahren wie es uns gefallen hat. Die Kur war in Ordnung, ob sie was gebracht hat muss man erst einmal abwarten. Theoretisch haben wir zumindest einiges gelernt. Ansonsten hat es uns hier einiges abverlangt. Wir haben nicht umsonst immer einen Bogen um diese Art (Strand)-Urlaub gemacht. Das noch verbunden mit der Art einer “Gefangenschaft” auf einer kleinen Insel, freiwillig werden wir das vielleicht frühestens mit unseren Enkeln wieder machen. Der Alltag ist einfach schon Hamsterrad genug, da brauchen wir das im Urlaub nicht auch noch. Aber, jedem das seine.

Zum Schluss nun mein fotografischer Blick auf die Insel. Stimmungsbedingt viel schwarz/weiß und sehr wolken- und meerlastig. Wer damit nichts anfangen kann, für den gibt es auch was mit Farbe. Bis bald!

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